Veranstaltungsbericht: Red Hand Day

Optional

Anlässlich des Red Hand Days, dem weltweiten Aktionstag gegen Kindersoldat*innen, haben wir am 10. Februar 2023 einen Themenabend mit Filmvorstellung im Berliner Sputnik Kino ausgerichtet.

Anlässlich des Red Hand Days, dem weltweiten Aktionstag gegen Kindersoldat*innen, haben wir am 10. Februar 2023 einen Themenabend mit Filmvorstellung im Berliner Sputnik Kino ausgerichtet. Gezeigt wurde „Warchild“ von Emmanuel Jal, einem ehemaligen Kindersoldaten und heutigem Friedensaktivisten und Musiker aus dem Südsudan.

Jal wählte nach dem Krieg als Ausdrucksform die Kunst, um über seine Vergangenheit zu sprechen. Über Jahre hat er sich immer wieder gefragt, ob er überlebt hat, um darüber sprechen zu können, was er erleben musste.

Mit einem persönlich aufgenommenen Grußwort stellt sich Jal an diesem Abend vor und lässt die Zuschauer*innen mit bestimmten Fragen im Kinosaal zurück. Ein anderer ehemaliger Kindersoldat, der an diesem Abend das Wort ergreifen konnte, ist Abu Baker aus dem Sudan. Er nahm an einem Wiedereingliederungsprogramm von Tierärzte ohne Grenzen (ToGeV) und UNICEF teil und lernte sich mithilfe Sozialer Projekte und einer Ausbildung wieder in der Zivilgesellschaft zurecht zu finden. Beide kamen als Jugendliche aus dem Krieg zurück, haben Freunde an ihrer Seite sterben sehen und schlimmes Leid durch Krieg, Tod und Flucht erleben müssen. Emmanuel Jal kam in ein Flüchtlingscamp und Abu Baker schaffte es wieder in sein Heimatdorf.

Doch für beide lässt der Krieg für lange Zeit nicht los, sie kennen nur die Sprache der Gewalt und sehen sich mit einer Dorfgemeinschaft und neuen Umgangsformen konfrontiert, auf die sie mit ihren bisher gelernten Handlungsmustern nicht mehr reagieren können. Während Abu Baker für unser Programm ausgewählt wird, kommt Emmanuel Jal nach Nairobi, wird adoptiert und geht dort zur Schule. Beiden Jungen ist die Bedeutung dieser Bildungseinrichtungen bewusst, sowohl für ihre Rückkehr in die Zivilgesellschaft als auch für die Grundlage des Lebens und persönlichen Überlebens im Sudan, im Südsudan und in Jals Fall in Kenia. Heute setzen sich beide Männer für den Ausbau von Schulen und anderen Bildungsstätten ein.

Esmael Tessema, unser Landesdirektor im Sudan und Leiter unserer Wiedereingliederungsprojekte, war ebenfalls zu Gast und hat gemeinsam mit unserem Geschäftsführer Christian Griebenow durch den Abend und die Podiumsdiskussion geführt, die nach dem Kinofilm auf dem Programm stand. Die wichtigsten Themen und Fragen bildeten für uns die Grundlagen, die man als Projekt oder auch als psychologische Einrichtung in Deutschland, für eine erfolgreiche Wiedereingliederungsmaßnahme benötigt.

Welche Rahmenbedingungen müssen wir – abgesehen natürlich vom Frieden – herstellen, damit die Rückkehr in die Zivilgesellschaft vollzogen werden kann? Was braucht ein Kind, das aus dem Krieg kommt?

Doch für beide lässt der Krieg für lange Zeit nicht los, sie kennen nur die Sprache der Gewalt und sehen sich mit einer Dorfgemeinschaft und neuen Umgangsformen konfrontiert, auf die sie mit ihren bisher gelernten Handlungsmustern nicht mehr reagieren können. Während Abu Baker für unser Programm ausgewählt wird, kommt Emmanuel Jal nach Nairobi, wird adoptiert und geht dort zur Schule. Beiden Jungen ist die Bedeutung dieser Bildungseinrichtungen bewusst, sowohl für ihre Rückkehr in die Zivilgesellschaft als auch für die Grundlage des Lebens und persönlichen Überlebens im Sudan, im Südsudan und in Jals Fall in Kenia. Heute setzen sich beide Männer für den Ausbau von Schulen und anderen Bildungsstätten ein.

Die Grundsituation, die an diesem Abend auch von den beiden ehemaligen Kindersoldaten genannt wird, in der sich Kinder, die im Krieg waren, zeichnet sich durch die Unfähigkeit aus, anderen Menschen zu vertrauen. Sie kennen nur die Sprache der Gewalt und haben gelernt, jeden Tag für ihr Überleben zu kämpfen – auch mit dem Mittel dafür zu töten. Es sind abgebrühte, gewaltbereite junge Menschen, die aus dem Krieg heimkehren und niemandem vertrauen. Frank Mischo, Sprecher des Deutschen Bündnis Kindersoldaten und Bündnis gegen Missbrauch von Kindern als Soldaten und Elise Bittenbinder, Vorsitzende der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. sind sich einig, dass das allerwichtigste liebevolles Vertrauen sein muss, das den Kindern entgegengebracht werden sollte.

„Sie können nicht mit Nähe umgehen, denn sie haben nur Hass gelernt.“
– Elise Bittenbinder

Abu Baker erinnert sich daran, dass er auf jedes Gefühl, egal ob positiv oder negativ, nur eine Reaktion kannte: Gewalt. Egal, wer ihm damals in seinem Dorf helfen wollte, er reagierte stets mit Gewalt, weil er es schlichtweg nicht besser wusste. Dazu kommen, wie Frank Mischo und Elise Bittenbinder beschreiben, die grundlegenden mentalen und psychischen Probleme, die Alpträume, die Flashbacks, der Verfolgungswahn. Die Kinder sind häufig selbstmordgefährdet und nicht annähernd in der Lage zu diesem Zeitpunkt ein normales, ziviles Leben zu bewältigen geschweige denn zu organisieren.

Frank Mischo zählt deswegen fünf strategische Lernpunkte auf, die für eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft notwendig sind:

1. Vertrauen lernen

In einem Projekt zur Wiedereingliederung muss deswegen gelten: Vertrauen schaffen! Den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verinnerlichen, dass sie die Fertigkeit und die Fähigkeit zum Überleben auch im Frieden in sich tragen. Die Rückkehrer*innen aus dem Krieg bewegen sich jetzt in einer völlig konträren Realität, mit ganz anderen Rahmenbedingungen, das müssen sie erkennen. Aus dem Krieg und dem Töten wird Frieden. Der Erinnerung an und Traumata des Kriegs ist aber niemals weg. Sie toben weiter. Abseits des jetzigen Lebens und in den jungen Menschen drin.

2. Lernen, die eigenen Fähigkeiten zu nutzen und mit ihnen umzugehen.

Zu arbeiten, um zu sehen, dass man in der Lage ist wirtschaftliche Erfolge zu erzielen.

3. Im Frieden leben und die sozialen Strukturen verinnerlichen, Hilfe annehmen, sich in die Gemeinschaft integrieren, Verantwortung übernehmen

4. Eingliederung in die Dorfgemeinschaft, die Rückkehr zur Familie

Seitens der Organisationen können diese Schritte mit Aufklärung und Sensibilisierung der Familienmitglieder einhergehen. ToGeV hat den Rückkehrer*innen außerdem eine Art Start-Paket aus Naturalien und Bargeld mit auf den Weg gegeben, da es in den dörflichen Gemeinschaften und traditionellen Familienstrukturen sehr wichtig ist, einen sichtbaren Erfolg mit nach Hause zu bringen und damit zu demonstrieren, sich kümmern und Verantwortung übernehmen zu können

Esmael Tessema erklärt, dass die wichtigsten und erfolgsversprechenden Erfahrungen vor Ort die enge Zusammenarbeit mit den Dörfern und den Ältesten sind. Die Auswahl der Projektteilnehmer*innen erfolgt ausschließlich in enger Absprache mit den lokalen Verantwortlichen. Neben den jungen ehemaligen Kindersoldat*innen wird stets darauf geachtet, eine gleiche Anzahl an Kindern mit in die Programme aufzunehmen, die aus anderen benachteiligten Strukturen kommen, aber nicht im Krieg waren. Für die Heterogenität der Gruppe zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft und die Verzahnung von neuen Vertrauens- und Verhaltensmustern ist das außerordentlich bedeutend. Da unser Programm gleichzeitig ein Bildungsstandort ist und die Teilnehmer*innen Schulen und Ausbildungsstätten besuchen, kommt diese Wahl allen zugute.

Punkt 5 beschreibt von seitens der Organisation ein erfolgreiches Loslassen der Teilnehmer*innen. Für die jungen Menschen beginnt jetzt eine neue, langwierige Herausforderung: Leben.

„Seine Traumata kann man nicht loswerden, aber man kann sie integrieren.“
– Elise Bittenbinder

Nicht vergessen darf man allerdings all diejenigen zahlreichen Menschen, die sich das Leben nehmen, die nicht wieder reintegriert werden können, die im Kreislauf der Gewalt bleiben und denen kein Raum geschaffen wird, in dem sie lernen zu reden, zu leben und zu arbeiten.

Abu Baker und Emmanuel Jal wissen das genau. Sie hatten in ihrem Leben, wie die meisten ehemaligen Kindersoldat*innen, auch die Phase, in der sie ihre Vergangenheit verschwiegen und jeden Tag weiter um ihr Überleben kämpften. Sie beide sehen sich heute als Gerettete an – und die Hilfe kam von außen. Helga Barth, die Beauftragte für Menschenrechte, Internationale Entwicklung und Soziales des Auswärtigen Amtes, beschreibt die Wichtigkeit und die Dringlichkeit von friedensfördernden Maßnahmen und deren Ausbau. Es ist ein stiller Weg, den die meisten ehemaligen Kriegskinder gehen, und es muss die Aufgabe, auch unserer Gesellschaft, sein, sie zu begleiten und ihnen oder ihren Botschafter*innen wie Jal und Abu, einen Raum für ihre Stimme zu geben.

Das oberste Gebot der Weltgemeinschaft muss es auch in Zukunft sein, Minderjährige nachhaltig und wirksam zu schützen, Aufzuklären und jedem Kind sein Recht auf eine friedvolle und sichere Kindheit zu verwirklichen. Auch Helga Barth sieht wie Emmanuel Jal und Abu Baker den Ausbau von Bildungseinrichtungen sowie deren regelmäßigen Betrieb als wichtigstes Ziel. Bildung ist die Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft und ein entscheidendes Mittel für die Friedensarbeit. Genau wie die zwei betonen auch Mischo und Bittenbinder die Notwendigkeit, Kindern nicht den Hass, sondern die Liebe ins Herz zu bringen. Denn es liegt in der Natur ihres jungen Lebens, dass sie für das kämpfen, das man sie lehrt. Denn Kinder sind beeinflussbar, manipulierbar, instrumentalisierbar. Sie bedürfen maximalen Schutz. Den, so Helga Barth, müssen wir fördern. Da, wo er fehlt, da muss er geächtet werden. Zukünftig müssen mehr Gelder in friedensbildende Projekte fließen und in solche Projekte wie die der Reintegration ehemaliger Kindersoldat*innen in die Zivilgesellschaft. Denn der Bedarf, so bringt es Esmael Tessema abschließend auf den Punkt, ist da. Es gibt diese zahllosen Kinder, die aus dem Krieg kommen oder sich im Krieg befinden.

Wir danken allen Teilnehmer*innen für den gelungenen, interessanten und schönen Abend! Außerdem danken wir allen Interessierten, die sich mit diesem Bericht und dem Thema beschäftigen. Lasst uns den Kindern eine Stimme geben, die keine haben.

Der Red Hand Day 2023 wurde gefördert durch Engagement Global mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.