Hoffnung für befreite Kindersoldat*innen

Optional

Im Sudan und Südsudan ist die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen in bewaffneten Konflikten nach wie vor ein Problem. Auch nach ihrer Freilassung haben diese jungen Menschen einen schwierigen Weg vor sich. Wie wir sie auf diesem unterstützen, ist Thema dieses Beitrages.

Rechenunterricht bei der Berufsaubildung in Juba, Südsudan

Was haben Tierärzte ohne Grenzen mit Kindersoldat*innen zu tun?

Seit Jahrzehnten führen wir Projekte im Sudan und Südsudan durch. Damit haben wir in genau den beiden ostafrikanischen Ländern, in denen nach wie vor staatliche Armeen oder bewaffnete Gruppen viele Kinder und Jugendliche rekrutieren, Strukturen geschaffen und Fachwissen gewonnen. Beide Länder ringen mit weit verbreiteter Armut sowie schwelenden Konflikte.

Eine komplexe Lage, die die Möglichkeiten erhöht, dass nationale Streitkräfte oder Milizen junge Menschen rekrutieren. Sei es mittels Gewalt oder durch das „Versprechen“ materieller Sicherheit. Weil der Fokus unserer Arbeit auf der Unterstützung von Pastoralist*innen liegt, sind wir auch in abgelegenen und schwer zugänglichen Regionen aktiv. Außerdem folgen unsere Projekte immer einem ganzheitlichen Ansatz, um die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort nachhaltig zu verbessern.

Einfach gesagt: Wir sind genau dort, wo junge Menschen unter Umständen rekrutiert werden, wohin sie nach ihrer Freilassung zurückkehren und wo wir mit unserer Expertise an Orten sein können, die sonst kaum Unterstützung erfahren.

Was wir tun

Unser Ziel ist die Stärkung und Unterstützung der jungen Menschen. Diese kann jedoch nur gelingen, wenn sich auch die Lebensbedingungen der Gemeinschaften, in die sie zurückkehren, insgesamt verbessern. Deshalb boten wir die Maßnahmen, die ehemaligen Kindersoldat*innen beim Start in eine neue Zukunft helfen sollen, für die gleiche Anzahl von Kindern aus sozial schwächeren Familien an. Ergänzend und zur Sicherheit aller dort lebenden Menschen (und auch Tiere) konnte Tierärzte ohne Grenzen an der Beseitigung lebensgefährlicher Minen mitwirken sowie in mehreren Gemeinschaften begleitende Aktivitäten zur Friedenskonsolidierung durchführen.

Hintergrundinformationen

Definition

Kindersoldat*innen nennt man Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die in Kriegen und Aufständen kämpfen oder eingesetzt werden. Zwischen 2005 und 2022 haben die Vereinten Nationen 105.000 Fälle von Kindern verifiziert, die weltweit Teil nationaler Armeen oder bewaffneter Gruppen – davon viele tausend in verschiedenen Ländern Afrikas – eingesetzt wurden. Die Dunkelziffer ist hoch und die Anzahl der ehemaligen Kindersoldat*innen – die bisher her kaum erfasst ist – ist um ein Vielfaches höher.

Ehemalige Kindersoldat:innen im Blue Nile State.
© Tierärzte ohne Grenzen e.V.

Rechtlicher Rahmen

Vor 23 Jahren, am 12. Februar 2002, trat das „Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zum Verbot der Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten“ in Kraft. Deshalb wird jährlich am 12. Februar der Welttag gegen die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldatinnen und Kindersoldaten begangen. Bis heute haben 172 Staaten das Zusatzprotokoll ratifiziert; Deutschland im Dezember 2004.

Projekteilnehmer:innen der Reintegration von Kindersoldat:innen.
© Tierärzte ohne Grenzen e.V.

Gründe

Die Gründe, warum Kinder und Jugendliche für den Einsatz in bewaffneten Konflikten rekrutiert werden, sind vielfältig: Teilweise werden Kinder unter Einsatz von Gewalt entführt und zwangsrekrutiert. In anderen Fällen nutzen bewaffnete Akteur*innen die Armut und Not der Kinder aus.

Herausforderungen beim Einsatz für ehemalige Kindersoldat*innen

Wieviel Leid und Gewalt junge Menschen, die als Kindersoldat*innen rekrutiert wurden, ertragen haben und immer noch darunter leiden, ist kaum in Worte zu fassen. Kinder und Jugendliche sind die Gruppe, die am stärksten unter gewalttätigen und bewaffneten Kriegen, Konflikten oder Auseinandersetzungen leidet.

Gewalt, die fortwirkt

Minderjährige, die für staatliche – oder nichtstaatlicher Armeen rekrutiert werden, sind oft besonders schweren Verletzungen ihrer Rechte ausgesetzt. Teilweise stellen diese sogar Kriegsverbrechen dar. Deshalb müssen sie als das anerkennt werden, was sie sind: Opfer massiver physischer und psychischer Gewalt.

Wie ankommen?

Die Kinder müssen nicht nur die Traumata verarbeiten, die sie während ihrer Zeit als Soldat*innen erleiden, sondern auch mit der Stigmatisierung und Ablehnung durch die Gemeinschaften leben, in die sie zurückkehren. Ohne einen angemessenen Wiedereingliederungsprozess besteht für diese Kinder die große Gefahr, dass sie wieder rekrutiert werden.

Unsere Arbeit vor Ort

Mit Ausbildungen in ein neues Leben

Um ehemaligen Kindersoldat*innen und Kinder aus sozial schwachen Haushalten die Möglichkeit zur Erwirtschaftung eines Einkommens zu ermöglichen, hat Tierärzte ohne Grenzen mit Unterstützung von UNICEF Ausbildungsmöglichkeiten angeboten. Mit dem Wissen aus den überwiegend praktischen Ausbildungen in Handwerksberufen – wie Schweißer*in, Schneider*in oder Mechaniker*in – kehrten die jungen Menschen in ihre Herkunftsgemeinden zurück. Ein Mehrwert für alle: Die Jugendlichen konnten von der Gemeinschaft dringend benötigte Dienstleistungen anbieten und können damit als Teil der Gemeinde anerkannt werden und ein Einkommen verdienen.

Ehemalige Kindersoldaten führen Schweißerarbeiten auf einem lokalen MArkt durch

Besonders deutlich wurde dieser Effekt bei der Ausbildung von 60 Jugendlichen – darunter 55 freigelassene Kindersoldat*innen – kommunaler Tiergesundheitshelfer*innen. Vor allem unter Pastoralist*innen spielt die Gesundheitsversorgung von Nutztieren eine entscheidende Rolle. Jugendliche, die über das entsprechende Wissen zur Erkennung und Behandlung von Erkrankungen des lebensnotwendigen Viehs verfügen, tragen deshalb unmittelbar zur Stärkung der gesamten Gemeinschaft bei.

Ehemalige Kindersoldaten im Südsudan werden zu Tiergesundheitshelfern ausgebildet

Bereitstellung von Nutztieren

Eine weitere Maßnahme beinhaltete die Vergabe kleiner Nutztiere: Kinder und Jugendlichen bekamen beispielsweise Geflügel und Ziegen. Zusätzlich zu den Tieren erhielten sie Material für ihre Unterbringung, Futter und Schulungen zur Haltung sowie dem Erkennen von Krankheiten. Dank der Tiere trugen die Jungen und Mädchen mit frischen Lebensmitteln zur Ernährung ihrer Familien bei. Der Verkauf überschüssiger Produkte erhöhte Haushaltseinkommen. Außerdem stellten wir eine Behandlung der Tiere bei Erkrankungen sicher, indem wir gleichzeitig kommunale Tiergesundheitshelfer*innen ausbildeten.

ToGeV-Teammitglieder übergeben Ziegen an ehemalige Kindersoldat*innen

Stärkung von Haushalten

Auch Personen, die ehemalige Kindersoldat*innen betreuen, mit ihnen oder mit Kindern in sozial schwachen Haushalten leben, werden in unseren Projekten unterstützt. Damit sollen zum einen die Lebensbedingungen der betroffenen Familien oder Gemeinschaften gestärkt werden. Diese wiederum sollen dazu beitragen, die Risiken für Kinder für den Einsatz in bewaffneten Konflikten rekrutiert zu werden, minimieren. Betreuende Personen haben deshalb Schulungen in Ackerbau, Saatgut und die notwendigen Werkzeuge erhalten oder erhielten die Mittel zur Eröffnung kleiner Geschäfte.

Gemüseverkauf auf einem lokalen Markt in Pibor | Südsudan

Unsere Arbeit wirkt

Lehrgang in der Bearbeitung von Metall und im Schweißen
Ausgebildete Tiergesundheitshelfer im Einsatz | Südsudan
Huhn
Gemüseanbau in der Region Pibor
„Ich bin mir sicher, dass ich ohne die Bemühungen von UNICEF und VSF-Deutschland vielleicht schon lange tot und vergessen wäre. Ich bleibe diesen Organisationen zu Dank verpflichtet“
Kaku
ehemaliger Kindersoldat, der eine Ausbildung zum Schweißer absolviert hat
(Bezirk Pibor, Südsudan)
„In meiner Gemeinde bin ich ein Held, weil ich das Vieh gegen Krankheiten schütze.“
Baba
ehemaliger Kindersoldat, der jetzt als Tiergesundheitshelfer arbeitet
(Bezirk Pibor, Südsudan)
„Meine Hühner sind gesund, vermehren sich ständig und bringen mir ein regelmäßiges Einkommen.“
Maze
ehemaliger Kindersoldat, der mit der Asugabe von Geflügel unterstützt wurde
„Ich bin froh, dass meine Mädchen und ich nicht wie andere Frauen in den Wald gehen, um Gras zu schneiden und Stöcke zu verkaufen. Wir wachen auf und gehen zu unserer Farm, um Essen und Geld zu bekommen“
Agut
Kleinbäuerin, die im Rahmen des Programms unterstützt wurde
(Bezirk Pibor, Südsudan)

Weitere Bereiche, in den Tierärzte ohne Grenzen aktiv ist

Minenräumung im Südsudan

Wie in vielen anderen Kriegen kamen auch im Südsudan Landminen und andere Kriegswaffen zum Einsatz. In Gebieten, die stark umkämpft waren oder wichtige Routen für Waffen- und Truppenbewegungen darstellten, bergen Blindgänger und Landminen nach wie vor enorme Risiken für die dort lebende Bevölkerung sowie Nutztiere: Menschen – darunter viele Kinder, die unwissentlich mit Blindgängern spielten – wurden verletzt, verstümmelt oder getötet. So auch entlang der Straße von Wau nach Rumbek, welche einen wichtigen Kriegskorridor darstellte.

Um das Gelände wieder für die Nutzung von Menschen und Vieh zu sichern, sind vor allem Mittel zur sicheren Sprengung notwendig. Außerdem muss die lokale Bevölkerung über die Gefahren und Schritte zur Meldung gefährlicher Kriegsüberreste informiert werden. Vor diesem Hintergrund hat Tierärzte ohne Grenzen in den Jahren 2021-2022 mit Mitteln von UNICEF und technischer Unterstützung der National Mines Action Authority (NMAA) 25.958 Kinder (12.133 Mädchen und 13.825 Jungen) und 4.180 Erwachsene (1.968 Männer und 2.212 Frauen) im Einzugsgebiet des Projekts in den Bezirken Pibor, Cueibet und Tonj North über die Gefahren von Sprengstoffen aufgeklärt.

Ein Novum in diesen Gebieten und ein Erfolg: Innerhalb von drei Monaten meldete die Gemeinde dem Team von Tierärzte ohne Grenzen 24 mutmaßliche Blindgänger (UXOs). Die Fundorte der Blindgänger wurden kartiert und die Koordinaten über UNICEF an UNMAS gemeldet. Insgesamt 16 Blindgänger wurden überprüft und sicher gesprengt.

Friedenskonsolidierende Maßnahmen & Prävention

Alle unsere Projekte verfolgen einen friedensbildenden Ansatz. Wir setzen uns mit unserer Arbeit dafür ein, dass Konflikte gar nicht erst entstehen, gewaltfrei gelöst werden können oder die Folgen durch die schnelle Bereitstellung humanitärer Nothilfe abgefedert werden.

Unsere Projekte können das Leben ehemaliger Kindersoldat*innen zum Positiven verändern!
Unterstütze uns dabei – spende jetzt!

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